Home-Office und eigene Betriebsstätte: Keine Indizien für oder gegen versicherungspflichtige Beschäftigung

Ein­er betrieb­smit­te­lar­men Betrieb­sstätte, die eben­so als „Home-Office“ qual­i­fiziert wer­den kann, kann wed­er eine Indizwirkung für noch gegen ein Beschäf­ti­gungsver­hält­nis zuge­sprochen wer­den. Das hat das LSG Schleswig-Hol­stein in seinem Urteil vom 15.06.2020 (Az. L 5 KR 16/17) klargestellt. Im Zuge dieser Entschei­dung stellte das Gericht auch fest, dass es für die Einord­nung tele­fonis­ch­er Dien­stleis­tun­gen als sozialver­sicherungspflichtige Beschäf­ti­gung oder selb­st­ständi­ge Tätigkeit, im Wesentlichen darauf ankommt, ob und inwieweit der Auf­trag­nehmer in die betriebliche Arbeit­sor­gan­i­sa­tion des Auf­tragge­bers eingegliedert ist. Von beson­derem Gewicht sei außer­dem die Weisungsunterworfenheit.

Selbstständige Arbeitskraft oder abhängig Beschäftigte?

Im konkreten Fall beantragte eine ehe­ma­lige Tele­fon­istin, die für die Kun­denpflege und ‑betreu­ung für ein Han­del­sun­ternehmen zuständig war, eine sozialver­sicherungsrechtliche Sta­tus­fest­stel­lung. Einen schriftlichen Arbeitsver­trag mit dem Unternehmen hat­te es nie gegeben. Der Ver­sicherungsträger stufte die Betrof­fene als abhängig beschäftigt ein und befand, dass sie für diesen Zeitraum der Ver­sicherungspflicht in der Kranken‑, Pflege‑, Renten- und Arbeit­slosen­ver­sicherung unter­lag. Ins­beson­dere habe das Unternehmen durch die Vor­gabe wöchentlich­er Tele­fon-Aufträge fak­tisch die Arbeit­szeit bes­timmt und somit das Direk­tion­srecht ausgeübt.

Hierge­gen ging das Unternehmen gerichtlich vor und argu­men­tierte u.a. damit, dass die Mitar­bei­t­erin eigen­ver­ant­wortlich arbeit­ete und die von ihm erteil­ten Aufträge ablehnen kon­nte. Auch stand es ihr frei, noch für weit­ere Auf­tragge­ber tätig zu wer­den. Fern­er berief sich das Unternehmen darauf, dass die ehe­ma­lige Mitar­bei­t­erin Rech­nun­gen mit eigen­em Briefkopf stellte, eine eigene Betrieb­sstätte und eigenes Büro­mo­bil­iar unter­hal­ten habe. Dies spräche gegen ein Beschäf­ti­gungsver­hält­nis. Doch das Lan­dessozial­gericht wider­sprach dieser Argumentation.

Home-Office bzw. eigene Betriebsstätte sind ohne Indizwirkung

Grund­sät­zlich spräche das Unter­hal­ten ein­er eige­nen Betrieb­sstätte und die Erbringung der Arbeit­sleis­tung in dieser Betrieb­sstätte regelmäßig für das Vor­liegen ein­er selb­ständi­gen Tätigkeit, so das LSG. Allerd­ings kann ein in der Pri­vat­woh­nung beste­hen­der Büro­raum auch als Home-Office qual­i­fiziert wer­den. Home-Office-Tätigkeit­en von Beschäftigten sind schon seit Jahren üblich (siehe auch unseren Beitrag „Home­of­fice – Inter­view mit RA Jörg Hen­nig“). Dies gilt ins­beson­dere, wenn lediglich Bürokom­mu­nika­tion­s­mit­tel wie ein PC, Druck­er, Scan­ner und Tele­fon bzw. Smart­phone sowie ein pri­vater Inter­ne­tan­schluss genutzt werden.

Zu ein­er rechtssicheren Abgren­zung bei­der Tätigkeits­for­men könne dieses Kri­teri­um daher nicht herange­zo­gen wer­den, so das Gericht.

Überwiegende Indizien sprechen für ein Beschäftigtenverhältnis

Auch übrige Kri­te­rien seien für die Annahme ein­er selb­st­ständi­gen – ver­sicherungs­freien – Tätigkeit nicht aus­re­ichend, so das Gericht. Entschei­dend sei das Ver­tragsver­hält­nis, wie es tat­säch­lich vol­l­zo­gen wurde. Dies sei let­ztlich nach den Gesam­tum­stän­den zu ermitteln.

Hier könne ger­ade wegen der Kun­denpflege und (Vor-)Akquirierung poten­zieller Neukun­den von ein­er starken Ein­bindung in die Betriebs- und Arbeitsablau­for­gan­i­sa­tion und somit von der Eingliederung in den Betrieb aus­ge­gan­gen wer­den. Die betrof­fene Mitar­bei­t­erin sei weit­ge­hend in die betrieblichen Abläufe inte­gri­ert gewe­sen und hätte nur gerin­gen Spiel­raum zur Ent­fal­tung freier Tätigkeit­en gehabt. Dies ergebe sich etwa aus den vom Unternehmen vorgegebe­nen Gespräch­sleit­faden, an den sie sich zu hal­ten hat­te und aus der Tat­sache, dass sie sich tele­fonisch als Mitar­bei­t­erin des Unternehmens vorzustellen hatte.

Weit­er­hin sprächen für ein abhängiges Beschäftigten­ver­hält­nis, die regelmäßi­gen Tätigkeit­snach­weise, die die Mitar­bei­t­erin dem Unternehmen abzuliefern hat­te, feste Abgabefris­ten sowie die Teil­nahme an jährlichen Mitar­beit­erbe­sprechun­gen und Weihnachtsfeiern.

Die Gegenin­dizien, wie die Möglichkeit, einzelne Tele­fonaufträge ablehnen zu kön­nen, sowie die Form der Rech­nungsstel­lung, mit eigen­em Briefkopf der Mitar­bei­t­erin, genü­gen für die Annahme ein­er Selb­st­ständigkeit nicht. Ihnen käme hier ein deut­lich gerin­geres Gewicht zu, sodass ins­ge­samt von einem abhängi­gen Beschäf­ti­gungsver­hält­nis auszuge­hen sei, so das Gericht.

AMETHYST-Tipp: Auf bewährte Abgrenzungskriterien zurückgreifen

Das Home-Office oder eine „Betrieb­sstätte“ in den eige­nen vier Wän­den sind bei Bürotätigkeit­en ger­ade keine trennschar­fen Kri­te­rien, um ein Beschäftigten­ver­hält­nis annehmen oder ablehnen zu kön­nen. Ger­ade in der Home-Office-beliebten Coro­na-Zeit lässt dies aufhorchen.

Stattdessen ist für die Sta­tus­fest­stel­lung auf alt­be­w­erte Kri­te­rien, wie das Beste­hen und Ausüben des Weisungs- und Direk­tion­srechts, die Betrieb­se­ingliederung und/oder das Tra­gen eines eige­nen Unternehmer­risikos abzustellen.

Unsere Recht­san­wälte sind hierin Experten und berat­en Sie bei Bedarf gerne.