Haftung des Entleihers für Sozialversicherungsbeiträge der Leiharbeitnehmer bei erlaubter ANÜ
Wenn der Verleiher als GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht worden ist, kann der Entleiher anstelle des Verleihers direkt vom Versicherungsträger in Anspruch genommen werden. Das hat das LSG Bayern in seinem Beschluss vom 27.04.2020 (Az. L 5 KR 584/19 B ER) entschieden. In einem solchen Fall ist für die Haftung des Entleihers – als selbstschuldnerischer Bürge – keine vorherige Mahnung des Verleihers nach § 28 Abs. 2 S. 2 SGB IV von Nöten.
Der konkrete Fall
Im besagten Fall hatte die Antragstellerin im streitgegenständlichen Zeitraum Leiharbeitnehmer eines Verleihunternehmens beschäftigt, das dem Handelsregistereintrag nach gewerbsmäßige ANÜ und Personalvermittlung betrieb. Das Verleihunternehmen hatte dann das Personal der „O‑GmbH“ übernommen, die jedoch keine ANÜ-Erlaubnis hatte. Schließlich wurde der Verleiher wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht, woraufhin die DRV Bund eine Betriebsprüfung durchführte und gegenüber dem Verleiher durch Bescheid Beitragsnachforderungen einforderte. Zudem forderte die DRV die Verleiherin auf, die Antragstellerin als Entleiherin für die nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Haftung zu nehmen. Letztere sah die Voraussetzungen für die Entleiherhaftung jedoch als nicht erfüllt an, da das Verleihunternehmen zunächst von der DRV hätte abgemahnt werden müssen. Außerdem sei sie Opfer eines Betruges geworden, argumentierte sie. Das Gericht maß dem jedoch keine Bedeutung bei und bestätigte die Entleiherhaftung.
Leistungsverweigerungsrecht nach § 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV
Als legaler entgeltlicher Entleiher von Arbeitnehmern haftet im Entleihzeitraum der Entleiher für die eigentlich von der Verleiherin als Arbeitgeberin geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumniszuschläge wie ein selbstschuldnerischer Bürge (§ 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV).
Zwar steht dem Entleiher gem. § 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht zu, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Im vorliegenden Fall hätte also zunächst die Verleiherin als Arbeitgeberin der Leiharbeitnehmer abgemahnt werden müssen, bevor die Antragstellerin in Anspruch genommen wird. Durch diese Regelung soll der Entleiher vor einer Inanspruchnahme bewahrt werden, bevor nicht sichergestellt ist, dass der zahlungspflichtige Arbeitgeber nicht leisten kann.
Allerdings bedurfte es laut Gericht im vorliegenden Fall ausnahmsweise keiner entsprechenden Mahnung, da die Verleiherin bereits von Amts wegen infolge ihrer Zahlungsunfähigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Da damit die Zahlungsunfähigkeit bereits amtlich festgestellt ist, sei eine vorherige erfolglose Mahnung beim Verleiher hier nicht erforderlich, so das Gericht.
Subsidiäre Entleiherhaftung verfolgt höhere Ziele
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die subsidiäre Entleiherhaftung nach § 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV nicht nur unmittelbar die Einnahmen der Sozialversicherungsträger sichern soll. Ziel ist es mit dieser Regelung gerade auch den Entleiher dazu zu bewegen, sich über die Seriosität des Verleihers zu informieren und sich diesbezüglich auf dem neusten Stand zu halten. So wird einerseits mittelbar Zwang auf den Verleiher ausgeübt, seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen und andererseits der sozialversicherungsrechtliche Schutz seiner Arbeitnehmer gewährleistet. Ob die Entleiherin Opfer einer Betrugsmasche geworden sei, spiele hier keine Rolle, so das Gericht.
Im vorliegenden Fall kam auch keine unbillige Härte für das entleihende Unternehmen in Betracht. Eine solche könne nur angenommen werden, wenn durch Vorlage entsprechende Bilanzen belegt ist, dass der wirtschaftliche Fortbestand der Antragstellerin nicht mehr gewährleistet wäre, wenn sie entsprechende Haftsummen an die DRV auszahlen müsste, so das Gericht.
AMETHYST-Tipp – Seriosität des Verleihers prüfen
Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, sich die Dienstleister in der Arbeitnehmerüberlassung genauer anzusehen. Denn im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Verleihers kann der Entleiher in der Zahlungspflicht für die Sozialversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger stehen. Und das kann teuer werden. Im vorliegenden Fall lag die Gesamtsumme der Beitragsnachforderungen bei über 125.000 EUR.