Weisungs(-un-)gebundenheit nicht immer entscheidend für sozialversicherungsrechtlichen Status der Mitarbeiter
Wer für ein Unternehmen Geschäfte vermittelt, kann trotz eingeschränkter Weisungsgebundenheit Angestellter sein, wenn er keinerlei unternehmerisches Risiko trägt. Das hat das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 27.03.2012 (Az. L 13 AL 4973/10) klar gestellt.
Im konkreten Fall hatte ein Mitarbeiter im Rahmen seiner Beschäftigung Verkaufsgeschäfte in Deutschland für ein Schweizer Unternehmen vermittelt. Streitig war u.a. anderem, ob er als selbstständiger Handelsvertreter oder aber abhängig beschäftigter Handlungsgehilfe tätig war. Entscheidend sei dabei das Maß der persönlichen Freiheit bei der Gestaltung der Tätigkeit, nicht etwa die Art der zu leistenden Dienste, so das Landessozialgericht.
Selbstständiger Handelsvertreter oder angestellter Handelsgehilfe?
Danach ist selbstständiger Gewerbebetreibender, wer als Handelsvertreter damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln und dabei im Wesentlichen frei seine Tätigkeit und Arbeitszeiten bestimmen kann. Kann er dies nicht, so ist er lediglich als Handlungsgehilfe angestellt und damit versicherungspflichtig. Hier war der Mitarbeiter zwar nur eingeschränkt in den Betrieb des Schweizer Unternehmens eingegliedert und auch nur bedingt Weisungen hinsichtlich Ort, Zeit und Dauer der Beschäftigung unterworfen, dennoch stünde das einem Angestelltenverhältnis nicht generell entgegen, so das Gericht. Immerhin habe der Arbeitnehmer hier eine ausgedehnte Berichtserstattungspflicht bzgl. seines wöchentlichen Programms auferlegt bekommen.
Ein fehlendes unternehmerisches Risiko spricht gegen Selbstständigkeit
Entscheidend sei außerdem, ob der betroffene Mitarbeiter ein unternehmerisches Risiko trüge, was vorliegend verneint werden müsse. So habe er ein festes Gehalt bezogen, Anspruch auf Urlaubstage gehabt sowie eine Umsatzbeteiligung erhalten. Kosten für Telefongespräche, Mahlzeiten, Hotelübernachtungen, Parkgebühren etc. wurden vom Unternehmen übernommen. Er musste demnach auch nicht (zeitweise) um seinen Verdienst fürchten. Ein unternehmerisches Risiko seinerseits sei somit zu verneinen, was gegen eine Selbstständigkeit und für ein Beschäftigtenverhältnis spräche, so das Gericht.
Besonderheit: Arbeitslosengeld für ausländischen Staatsbürger, der in der BRD für ausländisches Unternehmen arbeitet?
Besonders brisant an dem Fall war, dass besagter Mitarbeiter, der in Deutschland als Vermittler für das Schweizer Unternehmen arbeitete, kanadischer Staatsangehöriger war und nach seiner Kündigung Arbeitslosengeld (Alg) in Deutschland beantragte. Das Gericht hatte sich also auch mit der Frage zu beschäftigen, ob ihm ein Anspruch auf Alg zusteht.
Grundsätzlich gilt, wer Alg beantragen will, muss u.a. ein Versicherungspflichtverhältnis vorweisen können, das mindestens 12 Monate bestanden hat (sog. Anwartschaftszeit). Hier wurde der Alg-Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Anwartschaftszeit sei nicht eingehalten worden, da der Betroffene bei einem schweizerischen Unternehmen beschäftigt gewesen war. Doch das Gericht stellte diesbezüglich klar, ein solches Versicherungspflichtverhältnis könne auch bei einem ausländischen Staatsangehörigen, der für ein Unternehmen mit ausländischem Sitz, aber innerhalb der Bundesrepublik Deutschland (BRD) arbeite, bestehen. Entscheidend sei der tatsächliche Beschäftigtenort des Arbeitnehmers, d.h. der Ort, an dem er seine Arbeitstätigkeit tatsächlich (körperlich) ausführt und nicht der Unternehmenssitz. Auch das Gemeinschaftsrecht ändere daran nichts.
Anders wäre dies bei einer Entsendung der Arbeitnehmer ins Ausland. Dann wäre der Antrag auf Alg abzulehnen. Eine solche liege hier aber nicht vor, da dies einen Ortswechsel des Beschäftigten voraussetzen würde. Daran fehle es jedoch, wenn der Betroffene, wie auch vorliegend, seinen Lebensmittelpunkt (Wohnung, Büro etc.) ohnehin im Einsatzort, d.h. in Deutschland, habe.
Praxistipp – Gewissenhafte Prüfung des Beschäftigtenstatus
Auch dieser Fall zeigt, für die richtige Einordnung des sozialversicherungsrechtlichen Status kommt es auf Nuancen der konkreten Zusammensetzung verschiedener Kriterien, wie z.B. der Weisungsgebundenheit und des unternehmerischen Risikos des Mitarbeiters an. Damit keine Fehler passieren und Sie für die nächste Betriebsprüfung gewappnet sind, ist es ratsam bei Zweifeln über die korrekte Statusbestimmung, den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens hinzuzuziehen. Unsere Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen stehen Ihnen gern zur Seite.