Kein Bestandsschutz aus Betriebsprüfungsbescheiden für ungeprüfte Mitarbeiter
Ein früher erteilter Prüfungsbescheid hat keine Bindungswirkung für die Erfassung der einmal festgestellten (An-)Zahl beitragspflichtiger Personen. Heißt konkret: Nur weil der Versicherungsträger in der Vergangenheit die Versicherungspflicht für bestimmte Mitarbeiter eines Betriebs mit Bescheid festgestellt hat, heißt das nicht, dass bzgl. der nicht betroffenen Mitarbeiter automatisch keine Versicherungspflicht bestehe. So urteilte das BSG am 18.11.2015 (Az. B 12 R 7/14 R).
Stichproben bei der Betriebsprüfung sind erlaubt
Zwar kann sich laut früherer BSG-Rechtsprechung eine materielle Bindungswirkung insoweit ergeben, als dass die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht an sich in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung für bestimmte Zeiträume durch Bescheid festgestellt wurde. Darüber hinaus bestehe jedoch kein Bestandsschutz. Das Gericht stellte klar, dass der Versicherer auch bei kleineren Betrieben bei der Betriebsprüfung befugt ist, Stichproben zu nehmen. Es sind also nicht zwangsläufig die Verhältnisse aller Mitarbeiter zu prüfen. Dieses Vorgehen sei „jahrzehntelange Rechtspraxis“, so das BSG.
Wann ist der Beitragspflichtige bösgläubig?
In dem Fall, der dem Gericht vorlag, war außerdem zu klären, ob die Beitragsansprüche der Versicherung womöglich verjährt waren. Grundsätzlich gilt eine regelmäßige Verjährungsfrist von vier Jahren. Diese gilt jedoch nur wenn die Sozialversicherungsbeiträge nicht bösgläubig vorenthalten worden sind. „Bösgläubig“ ist dabei nicht nur, wer im klassischen Sinne “Schwarzarbeiter” beschäftigt, sondern auch schon jemand, der seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Allerdings müssten Tatsachen vorliegen, die für einen solchen bedingten Vorsatz sprechen. Dies sei etwa anzunehmen, wenn Beiträge für verbreitete “Nebenleistungen” zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder zumindest ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Jeder Einzelfall sei aber auf das Vorliegen entsprechender Tatsachen zu prüfen, so das BSG.
Aus 4 Jahren Verjährungsfrist können 30 werden
Ist die Bösgläubigkeit einmal festgestellt, wirkt sich das auf die Verjährungsfrist der Beitragsansprüche der Versicherung aus. Zwar läuft zunächst ab Fälligkeit des Beitrags – von Beginn des folgenden Kalenderjahres an – die vierjährige Verjährungsfrist. Doch wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf dieser 4‑Jahresfrist bösgläubig wird, wandelt sie sich automatisch rückwirkend in eine 30-jährige Verjährungsfrist um. Der Versicherungsträger kann seine Ansprüche dann deutlich länger geltend machen.
Praxistipp
Das Urteil des BSG verdeutlicht, der Versicherungsträger darf die Betriebsprüfung stichprobenartig vornehmen und kann ggf. auch noch Jahre später Beiträge nachfordern. Damit Sie gewappnet sind und wissen, welche Beitragsnachforderungen gegebenenfalls verjährt sind und gegen welche Sie vorgehen können, ist es ratsam, sich rechtlich beraten zu lassen.
- Weiterführende Informationen finden Sie auch unter folgenden Stichworten: „Betriebsprüfung“ und „Haftung”.