Der Einsatz von Freelancern VII — Unternehmerrisiko

Unternehmerrisiko

Wesentlich­es Indiz für eine Selb­st­ständigkeit ist auch das Tra­gen eines unternehmerischen Risikos. Ger­ade von der DRV Bund wird dieser Aspekt gern in den Mit­telpunkt gerückt, um die Selb­st­ständigkeit zu verneinen. Das geht beim Dien­stver­trag wieder beson­ders gut: Schon die Urform der Vergü­tung nach Zeit statt nach Erfolg nimmt die DRV Bund gern als wesentlich­es Indiz für ein fehlen­des Unternehmer­risiko und damit eine ver­sicherungspflichtige Beschäf­ti­gung (Hen­nig ITRB 2016, 114). Das BSG sieht ein unternehmerisches Risiko, wenn eigenes Kap­i­tal oder die eigene Arbeit­skraft auch mit der Gefahr des Ver­lustes einge­set­zt wird, der Erfolg des Ein­satzes der säch­lichen oder per­sön­lichen Mit­tel also ungewiss ist. Allerd­ings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Hin­weis auf eine selb­st­ständi­ge Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Frei­heit­en in der Gestal­tung und der Bes­tim­mung des Umfangs beim Ein­satz der eige­nen Arbeit­skraft oder größere Ver­di­en­stchan­cen gegenüber­ste­hen (BSG 28.9.2011 – B 12 R 17/09 R). Angesichts geän­dert­er Arbeits­ge­wohn­heit­en, die sich generell in höheren Frei­heit­en hin­sichtlich der Wahl von Arbeit­sort und Arbeit­szeit­gestal­tung aus­drück­en (Grün­buch Arbeit­en 4.0, 2015, S 64 ff.) hat das BSG eine Weit­er­en­twick­lung dieser Recht­sprechung im Jahr 2015 allerd­ings schon ein­mal angekündigt: Es werde zu prüfen sein, ob Frei­heit­en in der Gestal­tung und der Bes­tim­mung des Umfangs beim Ein­satz der eige­nen Arbeit­skraft zukün­ftig nur dann als Indiz für Selb­st­ständigkeit ange­se­hen wer­den kön­nen, wenn ger­ade hier­aus verbesserte Ver­di­en­stchan­cen erwüch­sen (BSG 18.11.2015 B 12 KR 16/13 R).

Aus dem (all­ge­meinen) Risiko, außer­halb der Erledi­gung einzel­ner Aufträge zeitweise die eigene Arbeit­skraft nicht ver­w­erten zu kön­nen, fol­gt noch kein „Unternehmerrisiko.“(BSG 18.11.2015 B 12 KR 16/13 R). Der Aspekt der Zeit­ent­loh­nung ent­pup­pt sich insoweit prak­tisch oft als Prob­lem. Denn, sofern Auf­trag­nehmer Anspruch auf Vergü­tung ihrer für die Durch­führung der jew­eili­gen Aufträge aufge­wandten Arbeit­szeit besitzen, beste­ht ein die Selb­st­ständigkeit indizieren­des Ver­lus­trisiko bei bloßem Ein­satz der Arbeit­skraft nicht (BSG 18.11.2015 B 12 KR 16/13 R).

Die Nutzung üblich­er Eigen­mit­tel wie PKW, Note­book und Handy begrün­det ein Unternehmer­risiko nur dann, wenn diese Gegen­stände ger­ade im Hin­blick auf die aus­geübte Tätigkeit angeschafft, hier­für einge­set­zt und das hier­für aufge­wandte Kap­i­tal bei Ver­lust des Auf­trags und/oder aus­bleiben­den weit­eren Aufträ­gen als ver­loren anzuse­hen wären (BSG 18.11.2015 B 12 KR 16/13 R). Davon kann bei alltäglichen Gegen­stän­den nicht aus­ge­gan­gen werden.

Das Unternehmer­risiko muss zwar beste­hen, es muss ander­er­seits nicht exor­bi­tant sein, so dass bere­its die Möglichkeit des Hon­o­ra­raus­falls in fest gebucht­en Zeit­en für die Annahme eines Unternehmer­risikos genügt. Wer also gele­gentlich in Call-Cen­tern auf eigenes (Anruf)risiko Beratungs­di­en­stleis­tun­gen erbringt und in Abhängigkeit von tat­säch­lich erfol­gten Anrufen bezahlt wird, trägt dieses Risiko (LSG Berlin-Bran­den­burg 4.5.2016 – L 1 KR 397/15). Und selb­st ein Bere­itschaft­sarzt im Kranken­haus trägt das Freizeitrisiko höher­er oder gerin­ger­er Beanspruchung während des Bere­itschafts­di­en­stes (LSG Rhein­land-Pfalz 20.4.2016 – L 4 R 318/14). Diesen Ansatz hat das Bun­dessozial­gericht im Zusam­men­hang mit der Tätigkeit von Notärzten indes ger­ade abgelehnt und hier eine Arbeit­nehmereigen­schaft angenom­men (BSG 31.8.2016 – B 12 R 19/15 B, Entschei­dungs­gründe liegen noch nicht vor). Die Begrün­dung der Entschei­dung bleibt abzuwarten.

Im Schreiben „Sta­tus­fest­stel­lung von Erwerb­stäti­gen“ (Rund­schreiben Sta­tus­fest­stel­lung von Erwerb­stäti­gen vom 13.4.2010) der Sozialver­sicherungsträger wird das Unternehmer­risiko hinge­gen unnötiger Weise auf typ­is­che Merk­male unternehmerischen Han­delns verdichtet, die eher bei Werk- als bei Dien­stverträ­gen anzutr­e­f­fen sind. Zu diesen Merk­malen gehöre u. a., dass Leis­tun­gen im eige­nen Namen und auf eigene Rech­nung – statt im Namen und auf Rech­nung des Auf­tragge­bers erbracht wer­den sowie die eigen­ständi­ge Entschei­dung über

  • Einkaufs- und Verkaufspreise,
  • Waren­bezug,
  • Ein­stel­lung von Personal,
  • Ein­satz von Kap­i­tal und Maschinen,
  • die Zahlungsweise der Kun­den (z. B. sofor­tige Barzahlung, Stun­dungsmöglichkeit, Ein­räu­mung von Rabatten),
  • Art und Umfang der Kundenakquisition,
  • Art und Umfang von Werbe­maß­nah­men für das eigene Unternehmen (z. B. Benutzung eigen­er Briefköpfe) (Rund­schreiben Sta­tus­fest­stel­lung von Erwerb­stäti­gen vom 13.4.2010, S. 8).

Das führt in der Prü­fung­sprax­is sehr häu­fig zur Ablehnung ein­er Selb­st­ständigkeit bei Dienstverträgen.

Hin­weis:

Die Ver­tragsparteien soll­ten darüber nach­denken, inwieweit ein wirtschaftlich­es Risiko zur Erre­ichung der Selb­ständigkeit vere­in­bart wer­den kann. Bei werk­be­zo­ge­nen Leis­tun­gen ist dies durch die Erfol­gsab­hängigkeit unprob­lema­tisch. Sofern es bei Dien­stverträ­gen möglich ist, Auf­trag­nehmern jeden­falls ein geringes Vergü­tungsrisiko (durch teil­weise Verpflich­tung zu unent­geltlichen Nachar­beit­en) aufzuer­legen oder eine wenig­stens teil­weise zeitun­ab­hängi­gen Vergü­tung zu vere­in­baren, ist in diesem Punkt schon eine Menge gewon­nen. Ob das Freizeitrisiko des Bere­itschaft­sarztes (LSG Rhein­land-Pfalz 20.4.2016 – L 4 R 318/14) auch zukün­ftig für die Annahme eines Unternehmer­risikos aus­re­ichen wird, bleibt hinge­gen fraglich.

Immer wieder hört man auch von Prüfern der DRV Bund, dass der äußere Anschein bei Sta­tus­prü­fun­gen eine große Bedeu­tung besitzt. So haben auch pro­fes­sionell gestal­tete Rech­nungsköpfe, ein Inter­ne­tauftritt des Beauf­tragten, eine Büroan­schrift und vieles mehr eine nicht zu unter­schätzende tat­säch­liche Wirkung im Rah­men ein­er Gesamt­be­tra­ch­tung. Es ist drin­gend zu empfehlen, jeden­falls in diesem Punkt die Indizien zu erfüllen, die eine Selb­st­ständigkeit nahe legen.