Der Einsatz von Freelancern VI — Höchstpersönliche Leistungerbringung

Höchstpersönliche Leistungserbringung

Räumt der Ver­tragspart­ner dem Dien­st­nehmer das Recht ein, Dritte in die Leis­tungser­bringung einzu­binden, ist dies ein ganz wesentlich­es Indiz für eine selb­st­ständi­ge Tätigkeit, wenn der Auf­trag­nehmer seine Leis­tun­gen über­haupt nur mit Hil­fe Drit­ter erbrin­gen kann, dies auch tat­säch­lich macht und dabei in der Auswahl der von ihm einge­set­zten Per­so­n­en frei ist. Das gilt auch dann noch, wenn die Auf­tragser­fül­lung fak­tisch nicht ohne Fremd­per­son­al möglich ist, z.B. wenn ein Zeitungszusteller Aufträge in einem Umfang annimmt, die er allein gar nicht bewälti­gen kann, ohne dass über­haupt bekan­nt ist, in welchem Umfang er Dritte ein­schal­tet (BAG 16.7.1997 – 5 AZR 312/96). Auch für die Ablehnung eines Arbeitsver­hält­niss­es der Zirkusartis­ten durch das BAG war der Umstand wesentlich, dass der Leit­er der Artis­ten­gruppe nicht zur Dien­ster­bringung in Per­son verpflichtet war und sich aus­drück­lich der „Hil­fe Drit­ter bedi­enen“ kon­nte (BAG 11.8.2015 – 9 AZR 98/14). Das ist zwar plau­si­bel, über­rascht angesichts der klaren Regelung des § 611 BGB, wonach Dien­ste im Zweifel per­sön­lich zu erbrin­gen seien, jedoch. Deshalb wird man nach der beson­deren Qual­i­fika­tion der Dien­st­nehmer dif­feren­zieren müssen:

  • Die ver­tragliche und tat­säch­liche Möglichkeit, Dritte einzuset­zen ist stets ein wesentlich­es Indiz für die Selb­st­ständigkeit
  • Das Fehlen dieser Möglichkeit ist bei ein­facheren Dien­sten (Zeitungszusteller, Gas­tronomiekraft) meis­tens das Ende der Selbstständigkeit
  • Bei hoch qual­i­fizierten Dien­stleis­tun­gen ist der Aspekt der Höch­st­per­sön­lichkeit von gerin­ger­er Bedeu­tung. Dass jemand Dien­stleis­tun­gen nicht durch einen anderen erbrin­gen lassen darf, er ander­er­seits aber auch nicht zur Ein­schal­tung eines anderen verpflichtet ist, wenn er selb­st an der Leis­tungser­bringung gehin­dert ist, ist auch für die Tätigkeit eines Selb­ständi­gen, die dieser im Rah­men eines („freien”) Dien­stver­trages erbringt, nicht untyp­isch. Die Höch­st­per­sön­lichkeit der Dien­stleis­tung sieht § 613 S. 1 BGB sog­ar aus­drück­lich vor. Jeden­falls bei ein­er durch das beson­dere Fach­wis­sen und die Erfahrung des Verpflichteten und durch Ver­trauen in die Per­son geprägten Dien­stleis­tung ist es nachvol­lziehbar, dass die Ver­tragsparteien davon aus­ge­hen, dass die Tätigkeit nicht an andere zur Ausübung über­tra­gen wird. Das hat auf den Sta­tus des Betrof­fe­nen keinen Ein­fluss (vgl. LSG Berlin-Bran­den­burg 16.1.2015 – L 1 KR 474/12; auch LSG Baden-Würt­tem­berg 18.5.2015 – L 11 R 4586/12).

Hin­weis:

An dieser Stelle fall­en The­o­rie und Prax­is auseinan­der. Das Kri­teri­um der höch­st­per­sön­lichen Leis­tungser­bringung spielt für Sta­tus­prü­fun­gen durch die Renten­ver­sicherungsträger auch bei hoch qual­i­fizierten Per­so­n­en eine wesentliche Rolle. Entschei­dend sind hier vor allem Ver­trags­for­mulierun­gen. Enthält der zwis­chen den Parteien abgeschlossene Ver­trag die Verpflich­tung zur höch­st­per­sön­lichen Leis­tungser­bringung, wird dies von der DRV Bund stan­dard­mäßig immer als Indiz gegen eine Selb­st­ständigkeit gew­ertet. Ist in einem Ver­trag dage­gen aus­drück­lich bes­timmt, dass ein Auf­trag­nehmer sich für die Erbringung der von ihm geschulde­ten Dien­stleis­tung der „Hil­fe Drit­ter bedi­enen“ kann, ist es ein Indiz für eine selb­st­ständi­ge Tätigkeit (BAG 12.12.2001 – 5 AZR 253/00). Zu empfehlen sind daher Ver­tragsklauseln, die die Über­tra­gung einzel­ner Auf­gaben an Dritte aus­drück­lich ges­tat­ten. Wem das zu viel ist, der mag sich über­legen, ob die Über­tra­gung an Dritte nicht wenig­stens unter dem Vor­be­halt eines Wider­spruchs aus berechtigten Belan­gen o.ä. durch den Auf­tragge­ber ges­tat­tet wer­den kann.