Der Einsatz von Freelancern III — Vertragliche Formulierung und praktische Durchführung

Vertragliche Formulierung und praktische Durchführung

Zur Abgren­zung von Beschäf­ti­gung und Selb­ständigkeit ist zunächst vom Inhalt der zwis­chen den Beteiligten getrof­fe­nen Vere­in­barun­gen auszuge­hen (vgl. BSG 29.7.2015 – B 12 KR 23/13 R). Im Todesrad-Fall indizierten die For­mulierun­gen, so das BAG, eine Selb­st­ständigkeit (BAG 11.8.2015 – 9 AZR 98/14). Die Parteien hät­ten den Ver­trag als „Ver­trag über freie Mitar­beit“ beze­ich­net und auch son­st stets For­mulierun­gen gebraucht („selb­st­ständi­ge Ver­tragspart­ner“), die eine Selb­st­ständigkeit nahelegten.

Hin­weis:

Es kommt ständig vor, dass bei der Ver­trags­gestal­tung schlampig gear­beit­et wird. Eine Per­son soll selb­st­ständig tätig sein, man nimmt das Arbeitsver­tragsmuster aus der Schublade, tauscht in der Über­schrift „Arbeitsver­trag“ durch „Ver­trag über freie Mitar­beit“ aus, ver­gisst im Fol­gen­den allerd­ings, auch die Parteibeze­ich­nun­gen entsprechend zu ändern. Typ­is­che arbeitsver­tragliche Regelun­gen wie Urlaub­sansprüche oder Kündi­gungs­fris­ten belässt man in dem Doku­ment. Unab­hängig davon, dass man mit diesen For­mulierun­gen bere­its vor Gericht ein Kri­teri­um „ver­spielt“, das für die Selb­st­ständigkeit spricht, hat diese Nach­läs­sigkeit ver­heerende Auswirkun­gen vor allem bei Sta­tus­fest­stel­lungsver­fahren der Renten­ver­sicherungsträger. Ein Prüfer, der in dem vorgelegten Ver­trag ständig etwas von Arbeit­nehmer und Arbeit­ge­ber liest, ist sel­ten geneigt, plöt­zlich eine selb­st­ständi­ge, ver­sicherungs­freie, Ver­tragsausübung zu akzep­tieren, so nah diese auch tat­säch­lich liegen sollte. 

Die For­mulierung entschei­det nur über den Ver­tragstyp, wenn zwei weit­ere Voraus­set­zun­gen erfüllt sind: Zum einen muss die Tätigkeit über­haupt selb­st­ständig ausüb­bar sein. Denn nur wenn die ver­traglich vere­in­barte Tätigkeit typol­o­gisch sowohl in einem Arbeitsver­hält­nis als auch selb­st­ständig erbracht wer­den kann, ist die Entschei­dung der Ver­tragspart­ner für einen bes­timmten Ver­tragsty­pus im Rah­men der bei jed­er Sta­tus­beurteilung erforder­lichen Gesamtab­wä­gung aller Umstände des Einzelfalls zu berück­sichti­gen (BAG 9.6.2010 – 5 AZR 332/09).

Hin­weis:

Eher ein­fache Tätigkeit­en schei­den an dieser Stelle oft­mals aus (Zeitungszusteller, Ser­vicekräfte etc.), während eine höhere Qual­i­fizierung für die Möglichkeit der selb­st­ständi­gen Ausübung spricht (BAG 16.7.1997 – 5 AZR 312/96). Kün­st­lerische, anspruchsvolle Artis­ten­tätigkeit­en kön­nen generell selb­st­ständig aus­geübt wer­den (BAG 11.8.2015 – 9 AZR 98/14).

Zum anderen darf die prak­tis­che Hand­habung des Ver­tragsver­hält­niss­es nicht der Ver­trags­gestal­tung wider­sprechen, anderen­falls käme es zu ein­er Umge­hung zwin­gen­den Arbeit­nehmer­schutzes. Die Ver­trags­durch­führung spreche bei den Artis­ten klar für eine Selb­st­ständigkeit, meinte das BAG. Die Artis­ten erbracht­en ihre Leis­tun­gen im Wesentlichen unter Ver­wen­dung eigen­er Arbeits­ma­te­ri­alien. Sowohl die Hoch­seilan­lage als auch das „Todesrad“ ste­hen in ihrem, nicht aber im Eigen­tum der Beklagten. Dass die Artis­ten während eines Teils der Auf­führung Kostüme tru­gen, die der Zirkus ihnen zur Ver­fü­gung gestellt habe, habe das Bemühen der Zirkus­be­treiber, nach außen als Ver­anstal­ter der Vor­führun­gen in Erschei­n­ung zu treten, belegt, lege aber nicht die Annahme eines Arbeitsver­hält­niss­es nahe. Dass die Artis­ten über ihre ver­traglichen Verpflich­tun­gen hin­aus beim Auf- und Abbau des Zeltes neb­st Bestuh­lung mit­gewirkt hät­ten, sei ins­ge­samt nur von unter­ge­ord­neter Bedeu­tung (BAG 11.8.2015 – 9 AZR 98/14).

Anmerkung:

Bei Instanzgericht­en ist eine Ten­denz festzustellen, die Ver­trags­durch­führung zu stark auf Kosten der Ver­trags­frei­heit zu gewicht­en. Sie werten Indizien oft abschließend für eine Arbeit­nehmereigen­schaft ohne die Spiel­räume zu nutzen, die es angesichts der Def­i­n­i­tion des Arbeit­nehmer­be­griffs grund­sät­zlich gibt: im Zweifel für die Selb­st­ständigkeit! Dafür muss man den Zweifel zunächst jedoch akzep­tieren, wom­it es oft nicht so weit her ist. Berater, die ein Gericht vom Vor­liegen ein­er Selb­st­ständigkeit überzeu­gen möcht­en, soll­ten auf den Vor­rang der ver­traglichen For­mulierung in Gren­zfällen aus­drück­lich hinweisen.