Der Einsatz von Freelancern II — Begriff der Beschäftigung

Begriff der Beschäftigung 

Arbeit­srechtlich und sozialver­sicherungsrechtlich unter­schei­den sich die Arbeit­nehmer­be­griffe in Nuan­cen. Das Arbeit­srecht ver­fügte bis­lang über­haupt nicht über eine geset­zliche Arbeit­nehmerde­f­i­n­i­tion und über­ließ die Ausle­gung des Begriffs allein der Recht­sprechung. Das ändert sich zukün­ftig durch die Neue­in­führung von § 611a BGB.

  • §7 SGB IV definiert die (sozialver­sicherungsrechtliche) Beschäf­ti­gung als „nicht­selb­ständi­ge Arbeit, ins­beson­dere in einem Arbeitsver­hält­nis.“ Damit ist der Beschäf­ti­gungs­be­griff des § 7 SGB IV weit­er zu ver­ste­hen als der Arbeit­nehmer­be­griff des § 611a BGB und umfasst auch die nicht­selb­st­ständi­ge Arbeit außer­halb eines Arbeitsver­hält­niss­es. Das ist ein­er­seits eher The­o­rie. Denn selb­st wenn man in der Recht­sprechung zum Arbeit­nehmer­be­griff Unter­schiede in den Def­i­n­i­tio­nen zu erken­nen meint, (konkret zur funk­tionellen Teil­habe am Arbeit­sprozess, Dilenge DB 2015, 2271) schla­gen die Def­i­n­i­tio­nen selb­st bei der Beurteilung einzel­ner Sachver­halte angesichts der Kom­plex­ität der Abgren­zungs­frage für den Prak­tik­er nicht erkennbar durch.

Die Spruch­prax­is von Arbeits- und Sozial­gericht­en unter­schei­det sich nach der Erfahrung des Ver­fassers ander­er­seits allerd­ings dur­chaus. Zwar sehen es sowohl Bun­de­sar­beits­gericht als auch Bun­dessozial­gericht als Teil der Ver­trags­frei­heit an, dass die Parteien in Gren­zfällen der Abgren­zung zwis­chen Selb­st­ständigkeit und Arbeitsver­hält­nis frei über die Rechts­form entschei­den kön­nen. Arbeits­gerichte zeigen jedoch eher als Sozial­gerichte die Nei­gung, ver­traglich gewählte For­mulierun­gen für eine Selb­st­ständigkeit zu akzep­tieren und deshalb etwas häu­figer dem Sta­tus als freier Mitar­beit­er den Vorzug zu geben.

Der Überzeu­gungsaufwand eines Free­lancers, er sei trotz gegen­teiliger ver­traglich­er For­mulierun­gen in das Unternehmen seines Auf­tragge­bers eingegliedert und weisung­sun­ter­wor­fen, ist vor dem Arbeits­gericht also deut­lich höher als vor dem Sozial­gericht, zumal ein solch­er Mitar­beit­er dort mit dem Träger der Renten­ver­sicherung immer noch einen engagierten Mit­stre­it­er neben sich weiß.

Maßge­blich für die Abgren­zung zwis­chen Arbeit­nehmer und Selb­st­ständi­gem ist zusam­men gefasst der Grad der per­sön­lichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dien­stleis­tung Verpflichtete befind­et (BAG 11.8.2015 – 9 AZR 98/14).

Pauschalierende Betra­ch­tun­gen als Antwort auf die Frage nach dem Grad der per­sön­lichen Abhängigkeit lehnen die Gerichte ab. Sie ver­lan­gen immer eine Gesamtwürdi­gung aller Umstände des Einzelfall­es unter Berück­sich­ti­gung dessen, was die Parteien wirk­lich gewollt hät­ten. Es geht also darum, wie der Ver­trag gelebt und nicht wie er for­muliert wor­den ist: Wider­sprechen sich Vere­in­barung und tat­säch­liche Durch­führung, ist Let­ztere maßgebend (BAG 11.8.2015 – 9 AZR 98/14). Damit ist noch nicht viel gesagt. Arbeits- und Sozial­gerichte haben jedoch eine Rei­he von Kri­te­rien entwick­elt, die sie bei entsprechen­den Prü­fun­gen anwen­den. Hierzu ein aktueller Fall aus der Prax­is zwar des Arbeit­srechts, der „Todesrad-Fall“, der zugle­ich für das Sozialver­sicherungsrecht sehr instruk­tiv ist (BAG 11.8.2015 – 9 AZR 98/14):

Eine Artis­ten­gruppe schließt mit einem Zirkus einen „Ver­trag über freie Mitar­beit“ ab, wobei der Leit­er dieser Gruppe selb­st Arbeit­ge­ber der übri­gen drei Artis­ten ist. Vere­in­bart ist eine „Hoch­seil- und Todesrad­num­mer“ mit jew­eils 4 Per­so­n­en, die zweimal täglich aufzuführen ist. Die von den Artis­ten im Rah­men ihrer Auf­führun­gen ver­wen­de­ten Req­ui­siten wie Hoch­seil und „Todesrad“, eine meter­ho­he „Roll-over“-Konstruktion, ste­hen im Eigen­tum des Leit­ers der Artis­ten­gruppe, die Kostüme wiederum wer­den durch den Zirkus gestellt. 

Nach dem schriftlichen Ver­trag unter­liegen die Artis­ten bei der Durch­führung der Tätigkeit­en keinen Weisun­gen des Zirkus. Sie sind in der Gestal­tung ihrer Tätigkeit (Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeit­sausübung) vol­lkom­men frei. Auf beson­dere betriebliche Belange des Zirkus im Zusam­men­hang mit ihrer Tätigkeit ist jedoch Rück­sicht zu nehmen, ins­beson­dere sind pro­jek­t­be­zo­gene Zeit- und Ortsvor­gaben einzuhal­ten, eben­so fach­liche Vor­gaben des Zirkus, soweit diese zur ord­nungs­gemäßen Ver­trags­durch­führung erforder­lich sind. 

Die Über­tra­gung von Teilauf­gaben auf Dritte ist nach dem geschlosse­nen Ver­trag erlaubt, fern­er Tätigkeit­en für konkur­ri­erende (Zirkus-)Unternehmen, bei direk­ten Wet­tbe­wer­bern allerd­ings nur mit Zus­tim­mung des Auftraggebers.

Weit­er sieht der Ver­trag kleinere Neben­tätigkeit­en der Artis­ten vor (Teil­nahme am Ein­lass, bei Pres­seter­mi­nen und bei leichteren Auf und Abbau­maß­nah­men). Das Dien­stver­hält­nis wurde so gelebt, wie es ver­traglich vere­in­bart war. Das BAG lehnte die Arbeit­nehmereigen­schaft der Artis­ten aus den nach­fol­gend geschilderten Grün­den ab: