Crowdwork

Einführung und rechtliche Einordnung von Crowdworking und Crowdsourcing

Crowd­work­ing oder Crowd­sourc­ing ist der neue Trend: über Plat­tfor­men im Inter­net wer­den Aufträge ver­schieden­ster Art aus­geschrieben, die von Crowd- oder Click­work­ern über­nom­men wer­den. Die Inhalte dieser oft (aber nicht immer) Micro­jobs kön­nen völ­lig ver­schieden sein. Tex­ter­stel­lung, Durch­führung oder  Teil­nahme an Mei­n­ung­sum­fra­gen, App-Tests, Zäh­lauf­gaben, Durch­führung von Google-Suchen etc.  gehören dazu. Der größte Anbi­eter im deutschen Markt ist www.clickworker.de mit 840.000 „Work­ern“ (Stand Sep­tem­ber 2016). Allerd­ings ist die Anmel­dung auf diesen Por­tal­en schnell und unprob­lema­tisch vorgenom­men und wer dort nur ver­such­sweise aktiv war und es nicht mehr ist, zählt den­noch dauer­haft zur Com­mu­ni­ty. Die Zahl der wirk­lich aktiv­en Click­work­er dürfte daher um ein Vielfach­es geringer sein.

Auf der anderen Seite gibt es auch eine Rei­he von Plat­tfor­men, die — wie eben­falls www.clickworker.de – hoch qual­i­fizierte Dien­stleis­tun­gen, etwa im IT-Bere­ich (www.twago.de), anwaltliche Beratung (www.frag-einen-anwalt.de) oder auch Handw­erk­er­leis­tun­gen (www.my-hammer.de) ausschreiben.

Das Phänomen „Crowd­sourc­ing“ geht auf eine Studie von Howe aus dem Jahr 2006 zurück: Danach ist Crowd­sourc­ing eine inter­ak­tive Form der Leis­tungser­bringung, die kol­lab­o­ra­tiv oder wet­tbe­werb­sori­en­tiert organ­isiert ist und eine große Anzahl extrin­sisch oder intrin­sisch motiviert­er Akteure unter­schiedlichen Wis­sens­stands unter Ver­wen­dung mod­ern­er IuK-Sys­teme auf Basis des Web 2.0 ein­bezieht (Quelle: Wikipedia). Während begrif­flich­er Hin­ter­grund des Crowd­sourc­ing das Out­sourc­ing ist, also die Über­tra­gung intern­er Auf­gaben auf Dritte, beze­ich­net Crowd­work­ing mehr die Per­spek­tive der Arbei­t­en­den selb­st, die als Crowd­work­er tätig sind. Allerd­ings nimmt die Prax­is keine klare Abgren­zung vor und ver­wen­det bei­de Begriffe oft synonym.

Zu unter­schei­den sind internes und externes Crowd­sourc­ing. Das interne Crowd­sourc­ing beze­ich­net die Auf­tragsver­gabe an bere­its im Unternehmen beschäftigte Arbeit­nehmer während beim exter­nen Crowd­sourc­ing eine zumeist völ­lig freie Auss­chrei­bung über entsprechende Plat­tfor­men im Inter­net geschieht.

Crowd­work­ing ste­ht in der Kri­tik, vor allem der Gew­erkschaften. Sie sehen darin eine Entrech­tung der „Work­er“, denen in aller Regel kein arbeit­srechtlich­er Schutz wie etwa der Min­dest­lohnanspruch nach § 1 MiLoG Zur Seite ste­ht, und sehen eine drastis­che Zunahme von Solo-Selb­st­ständi­gen in prekären Beschäf­ti­gungsver­hält­nis­sen. In Deutsch­land hat sich auf Arbeit­nehmer­seite vor allem die IG Met­all mit ihrer Seite www.faircrowdwork.org des The­mas angenom­men. Auf der Seite wer­den Crowd­work­por­tale durch Nutzer bew­ertet, Ratschläge zur Ver­trags­gestal­tung und Recht­stipps gegeben.

Die Zahl dieser Nutzer­be­w­er­tun­gen ist allerd­ings äußerst ger­ing und liegt im Regelfall unter 10 Bew­er­tun­gen pro Por­tal. Beson­ders aus­sagekräftig sind diese Bew­er­tun­gen daher nicht. Dies scheint dann auch das Haupt­prob­lem der poli­tis­chen Auseinan­der­set­zung zu sein. Crowd­work­ing hat so viele Erschei­n­ungs­for­men, dass es zunächst angezeigt ist, sich über die Def­i­n­i­tion zu ver­ständi­gen. Por­tale, die lediglich Aufträge an Selb­st­ständi­ge auss­chreiben, gibt es schon seit langem. Auf dem Por­tal www.twago.de wer­den nicht wenige IT-„Jobs“ ange­boten, mit denen sich mehrere Tausend Euro für ein Pro­jekt ver­di­enen lassen. Diese Plat­tform hat dann aber auch nicht mehr viel mit Crowd­work­ing zu tun, son­dern ist eine reine Plat­tform für Arbeitsvermittlung.

Prob­lema­tisch hin­sichtlich der Vergü­tung sind allerd­ings reine „Mikro­jobs“, denn hier­mit ist es oft nicht möglich, einen Stun­den­lohn von 8,50 € zu erzie­len. Die Frage ist allerd­ings, inwieweit tat­säch­lich Regelungs­be­darf beste­ht. Denn zum einen gilt das „Spargel­stech­er-Argu­ment“: Gute Stun­den­löhne sind dur­chaus zu erre­ichen, wenn Mitar­beit­er über hin­re­ichende Übung und Aus­dauer ver­fü­gen. So hat auch der Ver­fass­er im Selb­stver­such die Erfahrung gemacht, dass bei Klick­jobs am Anfang nur sehr geringe Stun­den­löhne entste­hen, die sich mit der Zeit deut­lich erhöhen lassen.

Fern­er nützt die Ver­trags­frei­heit Crowd­work­ern, die aus ein­er Vielzahl von Ange­boten wählen kön­nen und ger­ade nicht jeden Auf­trag annehmen müssen. Da die meis­ten Klick­aufträge eine hohe Inter­net-Affinität voraus­set­zen, dürften die meis­ten Click­work­er auch über die Kom­pe­tenz ver­fü­gen, rechtzeit­ig und richtig einzuschätzen, wie lukra­tiv ein Auf­trag ist. Im Übri­gen beste­ht auch jed­erzeit die Möglichkeit für die Click­work­er, Aufträge abzubrechen. Aktuell scheint diese Per­so­n­en­gruppe daher auch nicht das Prob­lem zu sein und die meis­ten Unternehmen wer­den auch wis­sen, dass ihre auf den Por­tal­en ange­bote­nen Aufträge mit den Ange­boten ander­er Anbi­eter in Konkur­renz ste­hen und über­haupt nur bear­beit­et wer­den, wenn sie eine adäquate Vergü­tung gewährleisten.

Prob­lema­tisch dürfte es erst dann wer­den, wenn Plat­tfor­men bei stark stan­dar­d­isier­baren (vor allem manuellen) Leis­tun­gen wie zum Beispiel Tax­i­fahren, Reini­gungs­di­en­sten etc. eine solche Mark­t­macht bekom­men, dass sie auch Selb­st­ständi­gen konkur­ren­z­los die Preise dik­tieren kön­nen. Dieser Aspekt bleibt sicher­lich weit­er­hin zu beobachten.

So kommt es hier wie auch son­st immer auf den Einzelfall an, ob die neue Arbeits­form eher als Vor- oder als Nachteil ange­se­hen wird. Pro­fes­sion­als und Auf­tragge­bern bieten die Plat­tfor­men zunächst größere Auswahlmöglichkeit­en und Mark­t­trans­parenz. Das dürfte zu ein­er Niv­el­lierung des Preis­niveaus führen, nicht jedoch zu Extrem­preisen, sofern sich Ange­bot und Nach­frage einiger­maßen die Waage hal­ten. Jobs von Gele­gen­heit­sklick­ern sind oft kurz und über­schaubar und wer­den daher kaum als Hauptein­nah­me­quelle dienen.

Rechtliche Einordnung

Crowd­work­ing wird in aller Regel nicht in Arbeitsver­hält­nis­sen prak­tiziert, da es nahezu an allen Merk­malen für eine Eingliederung fehlt. Es gibt keine tätigkeits­be­zo­ge­nen Weisun­gen, keine organ­isatorische (örtliche) Ein­bindung und keine erwartete ständi­ge Dien­st­bere­itschaft. Plat­tform­be­treiber oder die dahin­ter ste­hen­den Kun­den haben daher in der Regel mit Sta­tusver­hält­nis­sen keine Prob­leme. Im Rah­men beste­hen­der Arbeitsver­hält­nisse kann aber natür­lich mit Ele­menten des Crowd­work­ing gear­beit­et wer­den. Wer­den in beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis­sen Plat­tfor­maufträge vergeben, ändert das an dem Vor­liegen eines Arbeitsver­hält­niss­es nichts.

Crowd­work­er kön­nen arbeit­nehmerähn­lichen Selb­st­ständi­ge im Sinne des § 5 ArbGG sein. Erforder­lich für den Sta­tus als arbeit­nehmerähn­liche Per­son ist eine wirtschaftliche Abhängigkeit, d.h. regelmäßig müsste der Auf­trag­nehmer die Hälfte seines Gesamteinkom­mens von einem Auf­tragge­ber erzie­len (BAG 15. 11. 2005 – 9 AZR 626/04). Das hängt stark von der Plat­tform­struk­tur ab: vergibt sie die Aufträge selb­st, zählt sie damit als alleiniger Auf­tragge­ber oder ver­mit­telt sie Aufträge bloß an ver­schiedene Ver­tragspart­ner, zu denen Rechtsver­hält­nisse dann jew­eils isoliert zu betra­cht­en wären? Folge ein­er Stel­lung als arbeit­nehmerähn­lich­er Selb­st­ständi­ger wären vor allem Urlaub­sansprüche nach § 2 S. 2 BUrlG. Sofern eine Tätigkeit zu mehr als 5/6 eines für einen Auf­tragge­ber erfol­gt, kommt zusät­zlich eine Renten­ver­sicherungspflicht für Selb­st­ständi­ge gemäß § 2 Nr. 9 SGB VI infrage. Min­dest­lohnansprüche besitzen arbeit­nehmerähn­liche Selb­st­ständi­ge jedoch nicht, da es an dem Arbeit­nehmer­sta­tus fehlt (vgl. § 1 MiLoG).

Crowd­work­er sind in aller Regel auch keine Heimar­beit­er nach dem HAG. Denn für Heimar­beit­er ist eben­falls eine wirtschaftliche Abhängigkeit erforder­lich (BAG 3.4.1990 – 3 AZR 258/88). Zudem liegt der wesentliche Unter­schied zwis­chen Heimar­beit und Crowd­work­ing darin, dass Heimar­beit zugewiesen (aus­gegeben) wird, vgl. § 11 HAG, während der Crowd­work­er sich seine Aufträge selb­st aussucht.

In aller Regel dürfte die passende Ver­trags­form der selb­ständi­ge Dien­stver­trag nach § 611 BGB sein. Durch den Crowd­work­er wer­den selb­st­ständi­ge Dien­ste gegen Vergü­tung ohne damit ver­bun­de­nen Leis­tungser­folg geschuldet.

Denkbar ist auch die Vere­in­barung eines Werkver­trages gemäß § 631 BGB. Hier­für kön­nten Stück­bezahlun­gen oder reine Erfol­gsvere­in­barun­gen sprechen. Dies würde ergänzend zur Gel­tung von Min­derungsrecht­en, Nachbesserung- und Gewährleis­tungsrecht­en des Auf­tragge­bers führen. Der Gel­tung von Werkverträ­gen kann im Einzelfall allerd­ings eine unzuläs­sige Atom­isierung der Aufträge ent­ge­gen­ste­hen (vgl. LAG Hamm 4.03.1998 – 18 Sa 1167/97; LAG Nieder­sach­sen 27.4.2016 – 13 Sa 848/15). Denn für die Beurteilung des Ver­tragstyps ist nicht (allein) auf den Wort­laut der Ver­tragsklauseln abzustellen, son­dern in erster Lin­ie auf die tat­säch­liche Hand­habung. Wider­sprechen sich dabei Vere­in­barung und tat­säch­liche Durch­führung, ist Let­ztere maßgebend (vgl. etwa BAG 21.7.2015 – 9 AZR 484/14). So ist für das Vor­liegen von Werkverträ­gen ein gewiss­er Auf­trag­sum­fang mit ein­er gewis­sen Gestal­tungsmöglichkeit erforder­lich. Fehlt es hier­an, käme es beim Ein­satz mehrerer Per­so­n­en zur Arbeit­nehmerüber­las­sung, beim Ein­satz einzel­ner Per­so­n­en zum Vor­liegen eines Dien­stver­trages (LAG Nieder­sach­sen 27.4.2016 – 13 Sa 848/15).

Auch wenn Crowd­work­er als Selb­st­ständi­ge keinen Schutz in arbeit­srechtlichen Nor­men find­en kön­nen, kön­nen Sie sich auf die AGB-Kon­trolle einzel­ner Vere­in­barun­gen stützen. Das gilt unab­hängig vom Umfang der Tätigkeit. Wenn auch eine umfan­gre­ichere Tätigkeit den erweit­erten AGB-Schutz für Ver­brauch­er ent­fall­en lässt, (Däubler/Klebe NZA 2015, 1032) kön­nen sich alle Crowd­work­er auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB berufen. Danach sind ver­tragliche Bes­tim­mungen unwirk­sam, die mit wesentlichen Grundgedanken der geset­zlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vere­in­baren sind. Däubler/Klebe the­ma­tisieren, ob sich hier­aus für §§ 612 und 632 BGB ein Maßstab für eine grund­sät­zlich zu zahlen­den Min­destvergü­tung ableit­en lässt. Zutr­e­f­fend ver­weisen die Autoren zwar selb­st darauf, dass die Vergü­tung als vere­in­barte Hauptpflicht als solche nicht der AGB Kon­trolle unter­liegen kann, beja­hen allerd­ings den­noch eine Über­prü­fung der Vergü­tung im Rah­men ein­er ver­fas­sungskon­for­men Ausle­gung der Nor­men. (Däubler/Klebe NZA 2015, 1032)

Let­ztlich kann Maßstab ein­er der Über­prü­fung ein­er Lohnabrede jedoch nur § 138 BGB sein, wobei die Hür­den für eine Anwend­barkeit des § 138 Abs. 2 BGB extrem hoch sind. Für die Annahme von „Wuch­er“ genügt nicht bloß das auf­fäl­lige Missver­hält­nis zwis­chen Leis­tung und Gegen­leis­tung, welch­es im Einzel­nen vor­liegen kön­nte, hinzutreten muss, dass dieses Missver­hält­nis durch Aus­beu­tung ein­er Zwangslage, der Uner­fahren­heit, des Man­gels an Urteilsver­mö­gen oder der erhe­blichen Wil­lenss­chwäche des Ver­tragspart­ners ent­standen ist. Dies dürfte sich in der Prax­is kaum bele­gen lassen. Hier­von unab­hängig kann auch die rel­a­tiv großzügige Recht­sprechung des BAG zur Sit­ten­widrigkeit vere­in­barter Löhne (1/3‑Unterschreitung genügt in der Regel für die Annahme der Sit­ten­widrigkeit,) keine Anwen­dung find­en, da die Ver­trags­beziehung kein Arbeitsver­hält­nis ist.

Üblicher­weise ver­lan­gen Zivil­gerichte für die Annahme der Sit­ten­widrigkeit eine Dif­ferenz von 100 % (nach oben) bzw. 50 % nach unten (BAG 24. 3. 2004 – 5 AZR 303/03). Auch diese Gren­ze dürfte dauer­haft nur sehr sel­ten unter­schrit­ten wer­den. Damit ist ein wirk­samer Schutz von Crowd­work­ern, unab­hängig davon, ob man diesen für erforder­lich hält oder nicht, mit den aktuell zur Ver­fü­gung ste­hen­den Möglichkeit­en des Rechts nicht denkbar.