Beitragspflichtigkeit trotz mündlicher Übertragung der Unternehmensleitung
Ausschlaggebend für die Selbstständigkeit eines Mitarbeiters sind die tatsächliche Verteilung der Rechtsmacht im Unternehmen und die sich daraus ergebende Rechtsstellung. Um diese Rechtsstellung zu begründen genügen weder langjährige Mitarbeit noch eine mündliche Betriebsübergabe. Mit seinem Beschluss vom 12.03.2019 (Az. B 12 KR 85/18 B) bestätigte das BSG die entsprechende Entscheidung der Vorinstanz des LSG Hessen (Beschluss vom 30.08.2018, Az. L 8 KR 278/17).
Übertragung der Unternehmensleitung führt nicht automatisch zur Selbstständigkeit
Im konkreten Fall hatte ein Vater seinem Sohn mündlich die komplette Unternehmensleitung übertragen. Der Sohn hatte nach eigenen Angaben gegen monatliches Arbeitsentgelt seit Jahren eigenverantwortlich alle Aufgabenbereiche und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte, wie Angebotskalkulation, Angebotserstellung, Auftragsannahmen und –abwicklung sowie Rechnungswesen wahrgenommen.
Erst einige Jahre später erfolgte die formelle Übertragung des Unternehmens auf notariellem Wege. Der zuständige Versicherungsträger erkannte erst ab diesem Zeitpunkt eine Selbstständigkeit des Sohnes an. Die vorherige Tätigkeit stufte er als abhängiges Beschäftigtenverhältnis ein. Dem stimmte das Bundessozialgericht zu.
Ob zwischen Angehörigen eine beitragspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vorliegt oder aber eine beitragsfreie Mitarbeit auf familienrechtlicher Basis sei nach altbekannten Grundsätzen zur Statusfeststellung zu ermitteln. Grundlegend sind das bestehende Vertragsverhältnis und die tatsächlich ausgeübte Rechtsbeziehung, so das Gericht. Auch beim Arbeitsverhältnis unter Angehörigen komme es darauf an, ob der Betroffene in seinem eigenen oder einem fremden Unternehmen arbeite.
Die tatsächliche Rechtsmacht ist entscheidend
Entscheidend seien die Rechtsstellung der Person und die Verteilung der Rechtsmacht im Unternehmen. Fehlt eine schriftliche Vereinbarung – wie in vorliegendem Fall – könne diese Rechtsmacht jedoch weder aus besonderem Fachwissen noch aus langjähriger Berufserfahrung abgeleitet werden. Auch ein herausragend qualifizierter oder kaum ersetzbarer Arbeitnehmer wird nicht allein deshalb zum selbstständigen (Mit-)Unternehmer neben dem Betriebsinhaber, wenn er das Unternehmen nach eigenem „Gutdünken“ leitet und faktisch „Kopf und Seele“ des Unternehmens ist.
Ausschlaggebend sei stattdessen, je nach Unternehmensart, ob und in welchem Maße die betreffende Person über eine Kapitalbeteiligung oder ggf. über Stimmrechte aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen verfügt. Im dem Gericht vorliegenden Fall hatte bis zur offiziellen notariellen Übertragung des Unternehmens alleine der Vater als Unternehmensinhaber diese Rechtsmacht inne. Ob und in welchem Umfang der Vater von seiner Rechtsmacht Gebrauch machte, sei irrelevant, so das Gericht. Die vorherigen Absprachen können daher nur als Planungen der Rechtsübertragung angesehen werden und führen selbst noch nicht zur Selbstständigkeit.
Praxistipp – Wichtige Unternehmensentscheidungen schriftlich absichern
Wichtige Unternehmensentscheidungen sollten immer schriftlich und in vorgesehener Rechtsform fixiert werden, um sich rechtlich abzusichern. Dieser Fall zeigt, dass dies auch mit Blick auf das Beitragsrecht gilt. Wir von AMETHYST-Rechtsanwälte erbringen gerne die nötige Rechtsberatung.