Beiträge zur Berufsgenossenschaft optimieren III
6. Änderung der veranlagten Tarifstelle
Die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einer Tarifstelle mit entsprechender Gefahrklasse kann unter engen Voraussetzungen geändert werden.
Zunächst ist der Wechsel ist der Wechsel einer Gefahrklasse durch Unternehmen gemäß § 160 Abs. 1 SGB VII möglich, wenn sich nachträglich veranlagungsrelevante Änderungen im Unternehmen ergeben und diese der zuständigen Berufsgenossenschaft durch das Unternehmen mitgeteilt wurden. Dies erfasst jedoch lediglich die nachträglichen Änderungen, welche für die Gefahrklasseneinteilung relevant sind. Dazu zählen beispielsweise nicht solche Änderung des Unternehmens, bei denen nur neue Unternehmensteile hinzukommen, die selbst in einer gesonderten Gefahrtarifstelle zu veranlagen wären. Liegen die Voraussetzungen für einen Wechsel allerdings vor, hebt die Berufsgenossenschaft den Veranlagungsbescheid mit Beginn des Monats auf, welcher auf die Zustellung der Änderungsmitteilung des Unternehmens folgt.
Weiterhin kann die Veranlagung einer bestimmten Gefahrklasse gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII durch die Berufsgenossenschaften aufgehoben werden, wenn die Veranlagung zu einer zu niedrigen Gefahrklasse geführt hat oder eine zu niedrige Gefahrklasse beibehalten worden ist, weil die Unternehmer ihren Mitteilungspflichten nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen sind oder ihre Angaben in wesentlicher Hinsicht unrichtig beziehungsweise unvollständig waren. Für diese Fallgruppe ist die Mitteilungspflicht des Unternehmers von besonderer Relevanz. Kommt der Unternehmer seinen Mitteilungs- und Auskunftspflichten nicht oder nicht rechtzeitig nach, wird der Veranlagungsbescheid rückwirkend aufgehoben, soweit die Veranlagung zu einer unpassenden Gefahrklasse geführt hat.
Die Auskunftspflicht des Unternehmers folgt aus § 159 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit § 98 SGB X und regelt, dass Unternehmen den entsprechenden Berufsgenossenschaften Auskunft über die Art und Dauer der Beschäftigung, den Beschäftigungsort und das Arbeitsentgelt erteilen müssen. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, nimmt die Berufsgenossenschaft die Veranlagung nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse vor (§ 159 II S. 2 SGB VII).
Die dritte Fallgruppe regelt § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII. Diese umfasst die Konstellation der Aufhebung eines Veranlagungsbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrklasse von einem Unternehmen nicht zu vertreten ist. Diese Regelung orientiert sich an § 45 SGB X, der die die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes regelt.
Insgesamt ist die Aufhebung ursprünglich ergangener Veranlagungsbescheide unweigerlich mit der eigentlichen Änderung der Veranlagung durch Erlass eines neuen Veranlagungsbescheides verbunden. Der Wechsel der Gefahrklasse hat zudem die Änderung der betroffenen Beitragsbescheide, inklusive der entsprechenden Beitragsnachforderungen oder Beitragserstattungen, zur Folge. Derartige Gefahrklassenwechsel sind mittels der Anfechtung des Veranlagungsbescheides der Berufsgenossenschaft durchzusetzen. Dabei ist zu beachten, dass Veranlagungsbescheide von den ebenfalls ergangenen Zuständigkeitsbescheiden strikt zu unterscheiden sind. Diese regeln im Gegensatz zu Veranlagungsbescheiden nicht die Zuordnung zu bestimmten Gefahrklassen, sondern beziehen sich allein auf die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft an sich.
7. Möglichkeiten im Falle von Beitragsrückständen
Aufgrund von Liquiditätsengpässen oder etwa einer Prüfung, die zur Feststellung der Einstufung bestimmter Arbeitnehmergruppen in eine bislang fehlerhafte Gefahrklasse führt, kann es zu erheblichen Nachforderungen kommen.
Möchte eine Berufsgenossenschaft Beiträge nachfordern, erlässt sie gemäß § 168 SGB VII einen entsprechenden und sofort vollziehbaren Beitragsbescheid. Eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung kann nur erfolgen, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Das ist für den Betroffenen nur in seltenen Fällen beweisbar. In vielen Fällen bietet es sich daher für Unternehmen an, eine Ratenzahlung mit der jeweiligen Berufsgenossenschaft auszuhandeln. So stimmt etwa die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft in vielen Fällen einer Ratenzahlungsvereinbarungen oder einer Stundung zu, sofern eine erhebliche Härte im Sinne von § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV vorliegt. Eine solche ist anzunehmen, wenn aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse, die nicht von dem Beitragszahler zu vertreten sind, vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten auftreten oder im Falle der sofortigen Einziehung entstehen würden. In solchen Fällen sollten Unternehmen einen fundierten und ausführlich begründeten Stundungs- oder Ratenzahlungsvorschlag unterbreiten, der die besondere wirtschaftliche Situation des Unternehmens schlüssig darlegt. Ergänzend sollten Unterlagen beigefügt werden, die die wirtschaftliche Situation des Unternehmens widerspiegeln wie beispielsweise die aktuelle betriebswirtschaftliche Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Bestätigung der Hausbank, dass der Kreditrahmen voll ausgeschöpft ist.
8. Fazit
Sozialversicherungsträger besitzen ein weitreichendes Selbstverwaltungsrecht und können Ihre Tarife grundsätzlich selbst erstellen. Diese Tarife können rechtlich nur in Ausnahmefällen angegriffen werden. Allerdings bestehen für beitragspflichtige Unternehmen verschiedene rechtliche Spielräume, sollten sie die Rechtmäßigkeit der Beitragshöhe anzweifeln. Hier kommt der Wechsel der Tarifstelle, ein Vorgehen gegen die Eingruppierung einzelner Mitarbeiter und in Ausnahmefällen auch der zukünftige Wechsel der Berufsgenossenschaft in Frage. Gegen Veranlagungsbescheide ist zunächst das Widerspruchsverfahren gemäß § 62 SGB X in Verbindung mit §§ 77 ff. SGG statthaft. Zu beachten ist jedoch, dass gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG Widerspruch und Klage gegen einen Veranlagungsbescheid keine aufschiebende Wirkung haben. Sollten sich eine Berufsgenossenschaft und ein Unternehmen über die Veranlagung eines Gefahrtarifes gerichtlich streiten, so werden später ergehende Vorschussbescheide aufgrund von § 96 I SGG nicht Gegenstand des Verfahrens.