Außerhalb des Gesellschaftsvertrags gegründetes Veto-Recht ohne Einfluss auf sozialversicherungsrechtlichen Status
Ein Veto-Recht, das nicht im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde, hat keinen Einfluss auf den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Arbeitnehmers. Das hat das LSG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 06.05.2020 (Az. L 9 BA 54/19) klargestellt.
Tatsächliches Veto-Recht der Gesellschafterin
Geklagt hatte eine GmbH, deren Gesellschafterin mit 50%-Anteil, vom Versicherungsträger nach einer Betriebsprüfung als Arbeitnehmerin eingestuft worden ist. Die GmbH ging gegen den Bescheid vor, der sie zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Gesellschafterin in Höhe von über 49.600 EUR verpflichtete.
Die GmbH argumentierte vor Gericht, dass die Gesellschafterin deshalb angestellt worden sei, weil sie ihrerseits glaubte, dass sie den Betrieb ohne Meistertitel nicht leiten könne, nur deshalb sei ihr Ehemann als Geschäftsführer eingesetzt worden. Dennoch sei durch Gesellschafterbeschluss dafür gesorgt worden, dass alle leitenden Entscheidungen nur gemeinsam von den gleichberechtigten Gesellschaftern getroffen werden könnten.
Fehlende Rechtsmacht, unliebsame Weisungen zu verhindern
Dieses Vorbringen überzeugte das Gericht jedoch nicht. Es verwies auf den Feststellungsbogen zur Beurteilung mitarbeitender Gesellschafter einer GmbH, in dem die Gesellschafterin etwa hinsichtlich ihrer Kündigungsfrist auf den Manteltarifvertrag verwiesen hat. Weiter gab sie an, dass sie nicht ausschließlich aufgrund des Gesellschaftsvertrages arbeitsrechtlich verpflichtet sei, sondern aufgrund des Arbeitsvertrages. Dies spräche für eine Angestelltenposition.
Darüber hinaus – und dies ist entscheidend – verfüge sie nicht über die Rechtsmacht, unliebsame Weisungen des Geschäftsführers, kraft ihrer Gesellschafterstellung zu verhindern. Hierfür fehle es an einer gesellschaftsvertraglich abgesicherten Sperrminorität. Ein Veto-Recht, das außerhalb des Gesellschaftsvertrages begründet wird, genüge hierfür gerade nicht. Im konkreten Fall hatte das Gericht insbesondere die Form des Beschlusses gerügt, sodass dieser den Gesellschaftsvertrag nicht wirksam ändern konnte.
Ende der Kopf- und Seele-Rechtsprechung!
Auch die Tatsache, dass allein die Gesellschafterin den Geschäftsführer hätte abberufen können, sei für ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nicht relevant. Denn an der Rechtsmacht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschafterin ändere das nichts, so das Gericht. Das LSG stellte in diesem Zusammenhang zudem nochmals ausdrücklich klar, dass auch die Kopf- und Seele-Rechtsprechung hier nicht anwendbar sei. Diese habe das Bundessozialgericht mit Urteil vom 14.03.2018 (Az. B 12 KR 13/17 R) explizit aufgegeben.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf bisher unbeanstandete Betriebsprüfungen berufen und auf einen daraus hergeleiteten Vertrauensschutz. Dies ergebe sich schon aus dem Urteil des BSG vom 19.09.2019 (Az. B 12 R 25/18 R).
– Siehe hierzu auch unser Beitrag: „Arbeitgeber dürfen sich freuen: Mehr Rechtssicherheit bei Betriebsprüfungen“. –
AMETHYST-Tipp – Etwaige Veto-Rechte im Gesellschaftervertrag regeln
Dieser Fall zeigt, dass entscheidende Stimm- und Veto-Rechte in den Gesellschaftsvertrag gehören. Hätte die GmbH das berücksichtigt, hätte sie sich womöglich 5‑stellige Beitragsnachzahlungen ersparen können. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie hierbei gerne.